WB Bibliothek BIZ Bozen 2004 Auftraggeber Autonome Provinz Bozen

Wettbewerb Bibliothek BIZ, Bozen, IT
mit Leong Architects London

Grundsatzüberlegungen

Das neue Bibliothekenzentrum Bozen symbolisiert, daß in diesem Gebäude die eigenständigen deutschen, italienischen und ladinischen Sprach- und Kulturgruppen an einem Ort aus unterschiedlichen historischen Richtungen zusammenströmen, um dort das Gedächtnis für ihre Geschichte zu bewahren und miteinander eine gemeinsame Zukunft zu bauen.

Neben städtebaulichen Gründen entspringt die Gebäudestruktur der Idee eines gefalteten „Bandes“, das die Vielfalt der Südtiroler Kulturen miteinander verbindet und dies charakterisiert.

Die Architektur signalisiert Innovation und Offenheit und lädt zur Kommunikation unter den Bürgern Bozens, der Region und darüber hinaus ein.

Raum- und Funktionsprogramm

Der öffentliche Raum wird im Eingangsbereich fortgesetzt und fließt durch das ganze Gebäude. Das wird durch das die Bibliothek gliedernde „Band“ innen- und außenräumlich verdeutlicht. Zum einen stehen Flexibilität und die Vernetzung dreier Bibliotheken zu einem Zentrum im Vordergrund, zum anderen werden räumlich ablesbare Funktions- und Nutzungseinheiten geschaffen. Dies geschieht durch ein Raumkontinuum über mehrere Ebenen, die jeweils durch geringe Niveauunterschiede gegliedert sind, die die Höhenentwicklung nach oben betonen und die durch den gemeinsamen Luftraum und die Erschließung im Herz miteinander räumlich und funktional verknüpft sind.

Die Erdgeschoßebene mit ihren Funktionen Foyer, Verbuchung, Ausstellung  und Informationszentrum bildet den Auftakt und ermöglicht durch vielfältige Blick-, Raum- und Wegebeziehungen eine einfache Orientierung und Übersicht in der Bibliothek und deren Verwebung mit dem öffentlichen Raum. Über das Herz lassen sich alle Bereiche der Bibliothek auf kurzem Weg direkt erreichen. Für den suchenden, stöbernden Besucher führt eine das „Band“ begleitende große Rampe vom Erdgeschoss in die erste Ebene zum Anfang einer kontinuierlichen Wegeschleife, die durch die verschiedenen Bereiche der Bibliothek führt und vielfältige, individuelle Abstecher in andere Bereiche erlaubt.

Grundsätzlich gilt, dass alle Bereiche des Bibliothekenzentrums Bozen barrierefrei und behindertengerecht über Aufzüge und Rampen erreicht werden können.

Über eine andere große Rampe im Erdgeschoß wird das Freihandmagazin im ersten Untergeschoss erreicht, das durch weite Lufträume natürlich belichtet wird. Das gilt auch für die Verwaltung, die durch diesen Luftraum und ein die Ausrichtung des Gebäudes betonendes Oberlicht auf der Westseite mit Tageslicht versorgt wird. Dadurch und durch die Ausblicke aus der Verwaltung auf die schönen vorhandenen Bäume und den Kontakt zum Geschehen nach draußen und in der Bibliothek wird der Arbeitsablauf unterstützt und die Atmosphäre an den Arbeitsplätzen wesentlich bereichert.

Die Abteilung Non-Fiction Landesbibliothek „Dr. F. Teßmann“ befindet sich gleichzeitig mit deren Sondersammlung in der ersten Ebene, die gleiche Abteilung der Stadtbibliothek Bozen „C. Battisti“, deren Sondersammlung und die italienische Landesbibliothek „C. Augusta“ sind in der zweiten Ebene untergebracht und durch ihren Platz auf unterschiedlichen Höhenniveaus voneinander ablesbar.

Ebenso in der zweiten Ebene ist die vollständige Abteilung Fiction angeordnet, unterteilt von Non-Fiction durch den Luftraum des Herzens. Die zwei Fiction-Bereiche, die Landesbibilothek „Dr. F. Teßmann“ und die Stadtbibliothek Bozen „C. Battisti“ sind dem Konzept der Eigenständigkeit folgend in eigenen Bereichen des „Raumbandes“ vorgesehen.

Dieses findet in der dritten Ebene mit der Abteilung Tirolensien seine Fortsetzung und wird nach dem Herz mit dem Kindermedienzentrum und daran anschließend mit dem Jugendtreff weitergeführt. Kindermedienzentrum und Jugendtreff sind akustisch vom Herz und den anderen Bereichen abgetrennt und können direkt von der Verbuchung über die Erschließung im Herz oder über einen Aufzug erreicht werden. Sie sind in den Verlauf des Bandes einbezogen, um ihre Zugehörigkeit zum Bibliothekenzentrum zu betonen. Beide Bereiche sind bewusst erhöht in der Nähe zu den vorhandenen Baumkronen angeordnet, um wie in einem Baumhaus sowohl Geborgenheit als auch Über- und Ausblick zu ermöglichen.

Das „Raumband“ findet ihren Endpunkt in der vierten Ebene mit dem Veranstaltungsforum und dem Cafe. Dieser prominente Ort wird Anziehungspunkt für viele Besucher sein, deren ursprüngliches Ziel vielleicht erst einmal nicht die Bibliothek war und die dadurch zu ihrer Entdeckung animiert werden.

Das Cafe und das Foyer des Veranstaltungsforums bieten einen spektakulären Blick nach Süden zur Freiheitsstraße über die Stadt und in die Landschaft. Das Cafe und das Veranstaltungsforum kann sowohl intern über das Herz als auch über das Eingangsfoyer im Erdgeschoß direkt erreicht werden.

Auf dem höchsten Punkt des Daches des Bibliothekenzentrums, am Endpunkt des erwähnten Dachspaziergangs trifft man auf eine geschützte Dachterrasse, die einen herrlichen Blick über die Talferwiesen zu den Dolomiten bietet. Von der Dachterrasse aus gelangt man ebenso in das Cafe und das Veranstaltungsforum.

Das geschlossene Magazin, die Garage und die gesamte Haustechnik befinden sich im 2. Untergeschoß. Das geschlossene Magazin wird wie die anderen Ebenen der Bibliothek über einen Lastenaufzug im Nordteil des Gebäudes angedient, der von der Longonstraße aus, bedeckt von der Auskragung der ersten Ebene, angeliefert wird. Über den Erschließungsturm, in dem auch der Lastenaufzug angeordnet ist, wird auch das optionale Lager für historische Schriftstücke im dritten Untergeschoß erreicht.

Charakteristisch für die innere räumliche Gestaltung des ganzen Neubaus ist seine Orientierung und seine Ausblicke zu den unterschiedlichen benachbarten Räume in der Umgebung und die differenzierte Behandlung dieser Ausblicke (Zusammenfließen von Innen- und Außenraum im Bereich der Glasfassade, Rahmung von Aus –und Einblicken bei den großen Öffnungen im „Raumband“ oder Fensterschlitze im „Raumband“ bei individuellen Arbeits- und Lesebereichen oder bei der Theke im Cafe) . Dadurch entstehen gleichzeitig zum gewünschten flexiblen Raumkontinuum spezifische Orte innerhalb der Bibliothek mit eigenem Charakter, die die verschiedenen Bereiche für die Besucher ablesbar machen. Inhaltliche und quantitative Veränderungen der einzelnen Abteilungen und Bereiche, technische Weiterentwicklungen und der Grad der Vernetzung und Autonomie zwischen den drei Bibliotheken lassen sich gut organisieren.

Städtebau

Der neue Gebäudekörper wird mit seinen Proportionen und Höhen in das vorhandene urbane Umfeld integriert. Die Volumen des bestehenden städtebaulichen Gefüges werden aufgenommen und räumlich ergänzt, die neue Bibliothek reagiert auf die unterschiedlichen Traufhöhen der Nachbargebäude. Die eigenständige Gebäudeform kennzeichnet die Bedeutung des neuen Bibliothekenzentrums in Bozen als wichtige öffentliche, kulturelle und Einrichtung einer pluralistischen und heterogenen Gesellschaft.

Die städtebauliche Struktur wird aus den vorhandenen örtlichen Gegebenheiten entwickelt und schafft im Dialog mit der umliegenden Bebauung großzügige öffentliche Räume mit spezifischer räumlicher Qualität: Im Westen zum Gymnasium „G. Carducci“, zur Longonstraße unter Einbeziehung des wertvollen Baumbestandes, im Norden mit einem Park zur Diaz Straße und im Süden wird der Platz zwischen Frontkämpferstraße und Freiheitsstraße zu einem urbanen Raum aufgewertet.

Die städtebauliche Anordnung verknüpft so vormals getrennte Bereiche durch neue Wege- und Raumbeziehungen. Die neu entstehenden öffentlichen Außenräume fließen in das Bibliothekenzentrum, finden dort ihre innenräumliche Fortsetzung und unterstützen dessen einladenden und kommunikativen Charakter.

Darüber hinaus wird der öffentliche Raum durch die Zugänglichkeit des Daches erweitert und bietet auf einem neuen Spazierweg durch Bozen eine andere Perspektive auf die Flußtäler, die Berge und die alte und neue Stadt und unterstreicht damit die Aufgabe der Bibliothek als Plattform zur Reflexion und Vorausschau.

Durch die Nord-Süd Wegeverbindung von der Frontkämpferstraße zur Diaz Straße zwischen der Bibliothek und dem Gymnasium „G. Carducci“ werden die weiter nördlich gelegenen benachbarten Schulen und Institutionen angebunden.

Die Positionierung des Gebäudes innerhalb und nicht an den Rändern des Baugrundstückes hält einen Teil der Fläche für den neuen Park frei und unterstützt somit ebenso die Integration des Bibliothekenzentrums in die Nachbarschaft.

Der Zugang zur Bibliothek erfolgt von Süden vom Platz aus Richtung der Freiheitsstraße.

Der nach Süden auskragende Gebäudeteil und Endpunkt des aufsteigenden Bandes betont den Hauptzugang zur Bibliothek und interpretiert die Beziehung dieses öffentlichen Gebäudes zur Freiheitsstraße als eine der Hauptachsen der rationalistischen städtebaulichen Struktur neu.

Bauliche Umsetzung und Wirtschaftlichkeit

Geprägt wird die äußere Gestalt durch die Faltung des „Raumbandes“, das das Gebäude von der Straße bis zum Endpunkt am Dach durchzieht und strukturiert. Diese Band ist als massives Element vorgesehen, lediglich durchbrochen von einzelnen Sehschlitzen und großen Öffnungen an den „Faltstellen“. Als Material ist an Sichtbeton mit Glasmehlzuschlägen gedacht, das die Lichtstimmungen der verschiedenen Tages- und Jahreszeiten sanft widerspiegelt. Der Zwischenraum zwischen dem aufsteigenden „Raumband“ wird durch eine Glasfassade geschlossen. Als Sonnenschutz für die wertvollen Bücher und Medien und als Blendschutz wird ein Isolierglas mit einer Metallgewebeeinlage verwendet. Dies verringert die solare Transmission auf das notwendige Maß ohne Aus- und Einblicke oder den natürlichen Tageslichteinfall zu verhindern. Das eingesetzte Glas betont den Kontrast zwischen dem geschlossenen Band und dem offenen Zwischenraum.

Die Hauptkonstruktion des Gebäudes ist als wirtschaftlicher Stahlbetonskelettbau mit aussteifenden Erschließungstürmen geplant. Die Fundierung erfolgt mit einer durchgehenden Bodenplatte.

Um den finanziellen Rahmen einzuhalten wird es Bauteile geben, die roh und unbehandelt gelassen werden und Bauteile mit feinerer Behandlung. Entscheidungsgrundlage für die Schwerpunktsetzung dabei ist der Dialog mit dem Bauherrn auf Basis funktionaler, technischer und räumlich-atmosphärischer Kriterien.

Energetisches und ökologisches Konzept

Heizung

Grundlage des Konzeptes ist eine Reduzierung der Transmissionswärmeverluste der Gebäudeaußenflächen durch ein kompaktes Gebäudevolumen. Die Gebäudehülle besteht aus hochwärmedämmenden Materialien.

Der  Wärmebedarf wird ökologisch sinnvoll durch Fernwärme, falls vorhanden, oder durch CO2-neutrale Biomasse wie z.B. Holzpellets gedeckt und stärkt somit gleichzeitig den regionalen Wirtschaftskreislauf.

Für die vertikale Verteilung der Haustechnik werden im Bereich der Erschließungstürme zentrale Schächte vorgesehen.

Lüftung

Die offenen, großen Räume des Bibliothekenzentrums werden über ein an eine betonierte Erdkanalleitung angeschlossenes Lüftungssystem kontrolliert und ohne Zugerscheinungen natürlich belüftet. Dies vermeidet auch die Beeinträchtigung durch Außenlärm durch unkontrolliert geöffnete Fenster. Dieser Erdkanal mit Ansaugkamin im Park wird ebenso zur Luftkühlung des Gebäudes während der warmen Jahreszeiten herangezogen. Die angesaugte Luft kühlt sich hierbei durch das umgebende kühle Erdreich bzw. Grundwasser beim Durchströmen des Erdkanals auf die notwendigen Temperaturen ab. In den kalten Jahreszeiten wird die vom Erdkanal angesaugte und vorkonditionierte Luft über eine Wärmerückgewinnungsanlage ins Gebäude geleitet.

Räumlich abgetrennten Bereichen wie Gruppenarbeitsräumen oder Lernkojen wird über Öffnungsflügel die Möglichkeit zur individuellen natürlichen Belüftung gegeben.

Der umgebende Außenbereich des neuen Parks mit Grünflächen weist durch seine unversiegelten Flächen im Sommer angenehme Temperaturen auf und unterstützt das geplante Klimakonzept.

Strom

Der Energiebedarf für elektrische Geräte kann alternativ durch Einsatz aktiver Solargewinnungssysteme gedeckt werden. Hierzu können Photovoltaikelemente in die Dachlandschaft, sozusagen als begehbarer Energiepark, integriert werden.

Sonnen- und Blendschutz

Der Sonnen- und Blendschutz der verglasten Flächen erfolgt über die oben beschriebene Metallgewebeeinlage in den Isolierscheiben. Der Gesamtenergiedurchlassgrad wird dabei von der Absorption der integrierten Metalldrähte bestimmt.

Regenwasser

Im gedeckten Freibereich unter dem westlichen auf Stützen stehenden Gebäudeteil bereichert ein Becken zur Sammlung von Regenwasser die Außenanlage des Parks und den in Nord-Süd Richtung verlaufenden Weg zum Bibliothekenzentrum.

Das anfallende Regenwasser wird ebenso zum Teil in einen Grauwassertank eingeleitet, wo es zur Nutzung als Toilettenspül-, Putzwasser und zur Bewässerung der Parkanlage gespeichert wird.

Bibliothekstechnik und Medientransport

Für den Transport der Medien zwischen den vom Auslober geforderten Bereichen wird ein Fördersystem aus vollautomatischen Behälteraufzügen für den Vertikaltransport und horizontalen Förderbandstrecken, die sich hauptsächlich unterhalb der Geschoßdecken befinden eingesetzt. Die beiden vorgesehenen vertikalen Behälteraufzüge sind in den Erschließungstürmen im Nord- und Südteil des Bibliothekenzentrums angeordnet und jeweils in einen Raum zur Be- und Entladung integriert. Für dieses Medientransportsystem wird auf bewährte und bei anderen Bibliotheken verwendete Fördertechnik zurückgegriffen.

Baurecht

Durch die Integration des neuen Gebäudekörpers mit seinen Proportionen und Höhen in das vorhandene urbane Umfeld, die Übernahme der unterschiedlichen Traufhöhen der Nachbargebäude und die Einhaltung der Abstandsflächen wird wesentlich zur rechtlichen Genehmigungsfähigkeit des neuen Bibliothekenzentrums beigetragen.