Studienprojekt LAREG TU München / Hochschule Kempten

Broschüre (pdf)

 

Gestaltete Energielandschaft Allgäu

INITIATOREN

heilergeiger architekten und stadtplaner, Kempten
Dr. Jörg Heiler
Peter Geiger

Entwurf . Landschaftsarchitektur
„Konsistente Energielandschaft Allgäu“
Wintersemester 2012/13

Technische Universität München
Fakultät für Architektur
Fachgebiet für Landschaftsarchitektur
regionaler Freiräume
Prof. Dr. Sören Schöbel

IN KOOPERATION MIT

Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten
Prof. Alfred Bauer
Prof. Wolfgang Maier

PROJEKTPARTNER

sons. strategische und kreative markenentwicklung, Kempten
Thomas Stricker

BDA Bund Deutscher Architekten
Landesverband Bayern, Kreisverband Augsburg-Schwaben

 

 

Nichts geht ohne Energie. Können wir angesichts der Notwendigkeit baulicher Maßnahmen die Veränderung und die Auswirkungen auf unsere Landschaft im Allgäu gestaltgebend beeinflussen? Und wie könnte dieses Landschaftsbild aussehen? Studenten der TU München (Fachrichtung Landschaftsarchitektur) und der Hochschule Kempten (Fakultäten Tourismus und Maschinenbau) entwerfen in einem begleiteten Studienprojekt konkrete Ideen und Vorschläge.

Ziel des Projektes ist es, Kulturlandschaftsgeschichte, Morphologie, aktuelle Landnutzung, Tourismus, Siedlungsentwicklung oder Infrastruktur mit den Fragestellungen der Energiewende zu einer konsistenten Landschaft zusammenzuführen. Eine wirkliche Integration Erneuerbarer Energien in die Landschaft steigert dabei bestehende oder schafft ganz neue Landschaftsqualitäten. Energiebereitstellung soll als Teil der Alltagswelt verstanden werden und statt sie zu verstecken vielmehr in der Marke „Allgäu“ kommuniziert werden. Die Ergebnisse werden in regionalen Konzepten und Entwürfen dargestellt.

Bilder: Sylvia Huber, Theresia Loy, Moritz Eschenlohr, Katharina Gebhart, Ines Hoffmann, Beatrice Leitner, Eva Grömling, Anja Höhl, Lydia Mitterhuber, Hannah Layer, Philipp Uerlings, Georg Wagner, Constantin Bös, Franziska Cußmann, Leonie Wiemer, Felix Gutmann, Martina Lehmann, Freya Zörntlein, Marliese Höfer, Valerie Klein, Sara Schnelle

 

 

Ein gesamtheitlicher Weg

 

Dr. Jörg Heiler, 2. Vorsitzender BDA Augsburg-Schwaben

 

Motivation und Ziel von Architektur und Städtebau

Beim Umgang mit der Allgäuer Kulturlandschaft im Zuge der Energiewende kann man derzeit grundsätzlich zwei Wege beobachten.

Der erste Weg will die ‚traditionelle‘ Allgäuer Kulturlandschaft (deren Bild auch den Tourismus prägt) bewahren und zeitgenössische Eingriffe oder Veränderungen möglichst verhindern oder zumindest ‚verstecken‘.

Dies ist de facto nicht möglich. Zudem ist bekanntermaßen Landschaft einem stetigen Wandel durch soziale und gesellschaftliche Bedingungen unterworfen.

Der zweite Weg sieht die Veränderungen durch die Infrastrukturen der Energiewende als unvermeidbare Notwendigkeit an, die die Allgäuer Kulturlandschaft zwar nicht ‚schöner‘ machen, an die sich die Menschen im Laufe der Zeit aber gewöhnen.

Ein gesamtheitlicher, bisher wenig erkundeter und begangener Weg, könnte die Strukturen der Energiewende bewusst als neue Elemente und Merkmale in die Landschaft gestaltend integrieren und sozusagen eine weitere Allgäuer Kulturlandschafts-‚Schicht‘ hinzuzufügen. Eine organisch auf dem Vorhandenen aufbauende Schicht, die vielleicht noch in 200 Jahren als bewahrenswerter Teil der Kulturlandschaft einer früheren Zeit geschätzt wird. Das Beschreiten dieses gesamtheitlichen Weges stellt die Frage, ob und wie die ‚traditionelle‘ Kulturlandschaft und die heute gegebene ‚tatsächliche‘ Landschaft (geformt durch Veränderungen unserer Zeit wie Energie, Verkehr, Tourismus, Gewerbe) stimmig zusammengebracht werden können?

Die qualitätvolle und zeitgenössische Gestaltung der Kulturlandschaft ist die Motivation von Architektur und Städtebau und dem Kooperationspartner dieses Projekts, dem Bund Deutscher Architekten BDA, einen konstruktiven Beitrag zu den Wandlungsprozessen im Zuge der Energiewende zu leisten. In diesem konkreten Fall zu denen, die im Allgäu stattfinden. Die angestrebte Herangehensweise und damit verbundene Haltung ist zudem übertragbar auf anderen Regionen, die diese Prozesse meistern und gestalten möchten.

Das Ziel dieses Projekts ist schließlich der Anstoß für den genannten gesamtheitlichen Weg.

Aus diesem Grund freut es uns sehr, dass wir die Fachbereiche Tourismus und Umwelttechnik der Hochschule Kempten und den Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume der Technischen Universität München für dieses Studienprojekt begeistern konnten. Besondere Anerkennung sei hier den Studierenden ausgesprochen, die mit leidenschaftlichem Engagement und intelligenter Kreativität einen unschätzbar wertvollen Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Veränderung der Landschaft im Allgäu und vermutlich darüber hinaus geleistet haben.

Die Beschreitung dieses Weges soll natürlich in die breite Öffentlichkeit kommuniziert werden und verständlich sein, sonst bleibt dieser Versuch wertlos. Für die Unterstützung bei dieser schwierigen Aufgabe konnten wir die Markenagentur sons aus Kempten gewinnen und von deren reicher Erfahrung profitieren.

 

Qualitäten einer gestalteten Kulturlandschaft

Was verstehen wir als Architekten und Städtebauer unter Gestaltung einer Kulturlandschaft und deren Qualitäten?

Die Wahrnehmung und das Erleben von Landschaft vieler Menschen sind häufig mit einem entsprechenden ‚Bild‘ verbunden oder mit einem ‚Wert‘ als Ausgleich und positives Gegengewicht zu einer mehr und mehr technisierten und aus der ökologischen Balance gebrachten Welt. Die Qualität einer Landschaft wird deswegen, sicherlich auch berechtigt, oft an einem ‚Bild‘ oder an einem ökologischen ‚Wert‘ gemessen.

Es gibt jedoch weitere, bedeutende Qualitäten, die hier kurz und nicht abschließend angesprochen werden sollen[i], und die durch die Veränderung der Landschaft im Zuge der Energiewende geschwächt oder eben gestärkt werden können.

 

Öffentlicher Raum und Handlungsraum

Eine Vielfalt von öffentlichen Räumen mit Aufenthaltsqualität ist eine entscheidende Qualität in der vom Menschen geformten Landschaft. Es gibt eine Tradition der Zugänglichkeit der mitteleuropäischen Landschaft, die bewahrt und deren Gebrauchsformen unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen – und dazu gehört die Energiewende – weiterentwickelt werden sollten. Diese Tradition wird bei gerade entstehenden Photovoltaikfeldern, die abgesperrt und somit kein öffentlicher Raum sind, allzu leichtfertig aufgegeben. Es gilt jedoch, die Potentiale dieser Energiestrukturen gerade für zeitgenössische öffentliche Räume zu nutzen und erlebbar zu machen.[ii]

Landschaft stellt ebenso Räume bereit, die mannigfaltige Situationen und alltägliche Handlungen in unserem Alltag ermöglichen, und eine ‚Bühne‘ für Aktivitäten und Begegnung öffnen. Aktivitäten, die nicht ausschließlich eine wirtschaftliche Verwertung zum  Ziel haben oder einer einseitigen Funktion dienen, sondern auch im wahrsten Sinne offen für Alle sind.

Als Beispiel seien hier Stauseen wie der Rottachspeicher im Oberallgäu als künstliche Infrastruktur genannt, die neben ihrer eigentlichen Nutzung andere Gebrauchsmöglichkeiten bieten, insbesondere als Erholungs- und Freizeitangebot für alle Bevölkerungsgruppen. Was kann hier die neue Energieinfrastruktur leisten? Können neue erforderliche Zufahrten und Leitungstrassen für Windkraftanlagen zugleich neue Verbindungen von Orten und Wege durch die Allgäuer Landschaft herstellen? Können Kraftwerke auch Plattformen für öffentliche Treffpunkte und gemeinschaftliches Erleben sein?

Landschaft ist zudem immer mit bestimmten Bedeutungen für die Gesellschaft und Öffentlichkeit verbunden. Mit Bedeutungen, die nicht nur für den Einzelnen eine Rolle spielen, sondern die im „kollektiven Gedächtnis“ [iii] verankert sind. Solche Bedeutungen gliedern und gestalten die Landschaft genauso wie sichtbare physische oder morphologische Strukturen und helfen, prägnante und Identität stiftende Orte in der Landschaft zu erzeugen.

 

Atmosphäre und sinnliche Erfahrung

Es geht darum, Landschaft wahrhaftig spürbar zu machen und damit ein in der Gesellschaft breit angelegtes Verständnis ihrer Qualitäten, aber auch Defizite zu erreichen. Hier geht es nicht um künstlich produzierte sinnliche Erfahrungen, sondern um am Ort gewachsene und für die Landschaft charakteristische Phänomene wie sie gerade im Allgäu gegeben sind, und die diese Region weit über ihre Grenzen hinaus bekannt und beliebt machen.

Es ist wichtig, atmosphärische und sinnliche Qualität in der Landschaft zu pflegen und deren Weiterentwicklung einzufordern. Das Wesen einer Region wird insbesondere von Atmosphären der Landschaft geprägt, die mit allen Sinnen, aber auch emotional und rational gleichzeitig wirken. Werden solche Qualitäten gestärkt oder sogar versucht, neue entstehen zu lassen?

Dunkle, hohe Nadelwälder oder sich im schnellen Rhythmus verändernde Biomasseplantagen, unberührte oder mit Skiliften erschlossene Berghänge oder ein Höhenzug mit oder ohne Windräder sind Konstellationen, die zweifellos unterschiedliche Atmosphären in einer Landschaft hervorrufen werden und zu einem nicht unerheblichen Teil auf entwerferischen, planerischen und in erster Linie politischen Entscheidungen beruhen. Deswegen ist es von großer Bedeutung, sich bereits auf regionaler Ebene über sinnlich-atmosphärische Qualitäten von dort geplanten Strukturen und deren Ausstrahlung Gedanken zu machen.

 

Gestalt

Die Gestaltqualität einer Kulturlandschaft, ihrer Strukturen und Objekte sind einzigartig und unverwechselbar wie ein menschliches Gesicht. Diese gilt es zu betonen, darauf aufzubauen und daran weiterzuarbeiten

Es geht bei diesem Ansatz um eine ästhetische Dimension der Strukturen der Landschaft, die in der Bewegung oder beim Fernblick insbesondere über deren Gestalt und Morphologie erlebbar wird.

Werden Windkraftanlagen, um nur ein Beispiel zu nennen, als möglichst große, unmaßstäbliche Einzelobjekte allein aufgrund der gegebenen Windverhältnisse und Grundstücksverfügbarkeit in der Landschaft verteilt oder werden diese beispielsweise in einer bewusst gruppierten oder linear angeordneten Struktur, die auf einem regionalen Gestaltungskonzept beruht, in die Landschaft eingefügt, um die Qualität ihrer Morphologie zu stärken und um zum integralen Bestandteil einer zeitgenössischen Kulturlandschaft zu werden?[iv]

Windräder oder auch Biogasanlagen sind zudem auch Objekte, die als Landmarken von weitem sichtbar sind oder durch ihre räumliche Gestalt in der Erinnerung als Merkzeichen eingeprägt werden. Diese können damit auch zu Zielen und Treffpunkten bei Wanderungen durch die Landschaft werden. Anzustreben wäre, einen durch Energieanlagen geprägten Ort so populär zu machen, dass man sogar Besuch hierher führt. Landmarken wie die der IBA Emscher Park haben obendrein zu einer veränderten öffentlichen Wahrnehmung dieser Stadtlandschaft, über das Ruhrgebiet hinaus, beigetragen. Gerade aus diesen Gründen ist die Gestaltqualität der neuen Energieinfrastrukturen kein zusätzlicher ‚Luxus‘, den man sich leisten kann oder nicht. Im Gegenteil, für diese grundsätzliche Qualität einer Kulturlandschaft sollte kreative Arbeit investiert und bewusste Entscheidungen getroffen werden.

 

Raumerlebnis und Orientierung

Wie merkt man, dass man von einer Region in  eine andere kommt?  Wie erkennt man Übergänge zwischen unterschiedlichen Landschaften? Wodurch erfährt ein Ortsunkundiger den Wechsel vom Unterallgäu zum Oberallgäu?

Eine Stärkung des Raumerlebens vorhandener und typischer Landschaftsstrukturen hilft hierbei. Räumliche Situationen wie das Allgäuer Tor an einer Engstelle der Endmoränen könnten durch die bewusste Anordnung von Energieinfrastrukturen überhöht und deutlicher gemacht werden.

Die Stärkung des Raumerlebens führt zudem zu einer selbstverständlichen Orientierung bei der Bewegung durch die Landschaft.

Die bereits angesprochene Anordnung von Windkraftanlagen kann während einer Wanderung die Richtung vorgeben und den Rhythmus von Blicken und Richtungswechseln gestalten. Sie kann Einfluss darauf nehmen, wie man die Landschaft durchwandert oder durchfährt, wie man darin auch über weite Strecken gelenkt und begleitet wird.

 

Vielfalt und Komplexität

Es ist wenig sinnvoll, in einer Landschaft gegebene Überlagerungen, Komplexität oder manchmal sogar ‚Brüche‘ auszublenden, sondern als Potential für den Entwurf einer Region und Umsetzung in ihrer Landschaft zu nutzen. Konkret heißt das, dass die zeitgenössischen baulichen Elemente und Strukturen der Landschaft und ihre räumlichen Qualitäten nicht unter ‚den Teppich gekehrt‘ oder buchstäblich im Wald versteckt werden sollten, weil sie die ‚traditionelle‘ Kulturlandschaft stören und vermeintlich nicht mit dieser vereinbar sind. Um beim Beispiel der Windkraftanlagen zu bleiben, ist es zielführender, wenn sie denn als sinnvoller Energieerzeuger erkannt wurden, diese als ästhetische und kulturelle Qualität der Landschaft zu etablieren. Sei es als integriertes, sich harmonisch einfügendes Element oder als bewusst, aber dann mit höchster Qualität, gestalteter Kontrast ohne jedoch den Bezug zur Maßstäblichkeit der Landschaft verlieren zu dürfen. Alles als Gestaltungselement außen vor zu halten, was eine zeitgenössische Gesellschaft als Eingriff in die Landschaft mit sich bringt, führt zwangsläufig zu homogener Langeweile und einer Verarmung der räumlichen Erlebnisfähigkeit von Landschaft.

Unabhängig von einer kulturellen und ästhetischen Betrachtung sollte bei der Bewertung von Vielfalt und Komplexität als Qualität einer Landschaft auch bedacht werden, dass zukunftsfähige Siedlungs- und Landschaftsstrukturen im Rahmen einer ökologischen, sozialen und ökonomischen Problembetrachtung nur entwickelt oder dahingehend umgebaut werden können, wenn Überlagerungen und Durchmischung in soziologischer und funktionaler Hinsicht gegeben sind.

 

Qualitäten, wie die geschilderten, sollten im Zuge der gesamtheitlichen Gestaltung einer Energielandschaft gestärkt werden oder in dieser integriert sein, um langfristig sowohl von der Bevölkerung als auch von den Gästen des Allgäus geschätzt zu werden. Ihre Entwicklung und Planung sollte bereits im regionalen Maßstab und in den hierfür verantwortlichen Gremien bedacht und bearbeitet werden.

Diese Qualitäten sind neben anderen, hier nicht genannten, mit unterschiedlichen Schwerpunkten in den vorliegenden Arbeiten der Studenten zu finden. Es sind Qualitäten, die nicht als abschließende ‚Wahrheit‘ unveränderbar behauptet, sondern als Haltung für eine konstruktive Diskussion ‚in den Ring geworfen‘ werden.

 

Gestaltete Energielandschaft als Chance für das Allgäu

Zweifellos ist jedoch, dass es für gestaltete Energielandschaften als integraler Bestandteil einer Kulturlandschaft keine oder nur wenige Beispiele in der Praxis gibt. Darin liegen eine große Chance und ein starkes Potential für das Allgäu. Der beschriebene gesamtheitliche Weg kann damit zu einem Alleinstellungsmerkmal für das Allgäu werden. Zudem könnte dieser Weg dazu beitragen, die Menschen im Allgäu als Unterstützer bei den Herausforderungen der Energiewende zu gewinnen und helfen, dass sich Einheimische und Gäste mit den damit verbundenen Veränderungen in der Allgäuer Kulturlandschaft identifizieren und diese als Einzigartigkeit zu schätzen wissen.

 

  • [i] Siehe hierzu auch Heiler, Jörg (2013): Gelebter Raum Stadtlandschaft. Bielefeld: Transcript. Erscheint im April 2013.
  • [ii] Siehe hierzu LAREG TUM (2009): solarLANDSCHAFT, Studien zur Integration von Photovoltaikanlagen in die Kulturlandschaft der nördlichen Bodenseeregion, Diplomarbeit von Martin Spägele. Freising-Weihenstephan: Schriftenreihe des Fachgebietes für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume an der TU München.
  • [iii] Halbwachs, Maurice (1991): Das kollektive Gedächtnis. Frankfurt/ Main: Fischer.
  • [iv][iv][iv] Siehe hierzu Schöbel, Sören (2012): Windenergie und Landschaftsästhetik. Berlin: jovis.

 

 

 

 

Besonders Landschaft

 

Sören Schöbel

 

Das Allgäu ist besonders Landschaft. Alle Veränderungen des Erscheinungsbildes der Kulturlandschaft und der ihnen zugrundeliegenden Strukturen sollten hier einer besonderen Verantwortung folgen. Diese landschaftliche Verantwortung trägt das Allgäu aber nicht allein um seiner selbst willen. Denn Landschaft sollte überall qualitätvoller Teil des Lebens sein – wie unterschiedlich die Ausgangsbedingungen auch sein mögen. Wenn nun mit den erneuerbaren Energien die Energieproduktion dahin zurückkehrt, wo allein sie einigermaßen nachhaltig sein kann: an die besonnte Erdoberfläche, in die Ströme aus Wasser und Wind hinein, in die Fläche und in den Raum, dann verändert dies die Landschaft. Das Allgäu kann sich diesem strukturellen Wandel der Landschaft nicht einfach entziehen – was bliebe, wäre eine Museumslandschaft. Verantwortung für die Allgäuer Landschaft bedeutet im Gegenteil, die Herausforderung anzunehmen, aber dies so zu tun, dass nicht nur das Allgäu schön und besonders bleibt, sondern von hier auch positive Wirkungen in andere Landschaften ausgehen. Nach dem Prinzip: seht her, es geht auch gut.

Dafür braucht es Ideen einer sich entwickelnden Landschaft und die Kraft zu ihrer Gestaltung. In diesem Buch sind 10 Entwürfe zu einer konsistenten Energielandschaft Allgäu zusammengestellt, die im Herbst und Winter 2012 von einer Gruppe von dreißig Studentinnen und Studenten der Landschaftsarchitektur entwickelt wurden. Zu den Projekten trugen eine größere Zahl von Betreuern und Gastkritikern bei: neben Landschaftsarchitekten Tourismusexperten, Maschinenbauer, Landschaftsökologen, Raumplaner und Architekten.
Zum ersten Mal wird eine Energielandschaft Allgäu gezeigt, die nicht erlitten, sondern gestaltet wird. Solaranlagen werden nicht mehr mechanisch in Korridore entlang der Straßen- und Bahntrassen gezwängt, Windenergieanlagen nicht mehr möglichst fernab der Alpen konzentriert. Die Entwürfe verstecken nichts, noch versuchen sie zu verdrängen oder zu verbergen. Sie fügen ein.

Die bestehende Landschaft selbst ist Strukturvorgabe, aber auch Ideengeber dieser Integration. Dabei wird deutlich, dass die Landschaft des Allgäu heute mitnichten eine harmonische Ganzheit darstellt. Vielmehr haben die Studierenden in ihren ausführlichen Analysen erkannt, dass das Allgäu in verschiedene Teile zerfällt. Gerade in dem Hinzutreten der neuen Elemente in der Kulturlandschaft sehen sie jedoch die Chance, neue Zusammenhänge, gar eine neue Ganzheitlichkeit, zu erzeugen. Diese Ganzheitlichkeit des Allgäus wird aber nie durch Abgrenzung nach Außen, sondern durch Konsistenz nach Innen formuliert. Obschon also viele der Entwürfe mit Grenzen arbeiten – kulturellen wie natürlichen, technischen wie morphologischen, fällt doch auf, dass ihre Ideen landschaftlich weitertragen. Das, was hier für eine besondere Landschaft entworfen wurde, vermittelt Vorbilder für die Integration erneuerbarer Energien in Landschaft weit über das Allgäu hinaus.